Erneut beginnen wir mit einem “Es war einmal…”. Ja, ja, ich weiß - sehr klassisch. Aber es waren einmal ein Mann und seine Frau, die sich schon lange ein Kind wünschten, doch blieb dieser Wunsch lange unerfüllt. Da die Frau mit der Zeit immer häufiger Hungerattacken erlitt, machte sich die Hoffnung breit, dass der liebe Herr Gott gnädig war und die Frau wohl endlich schwanger sein würde. Somit gelang es der bald darauf werdenden Mutter auch nicht, ihren schwangerschaftsbedingten Heißhunger und Appetit auf die im Garten der Nachbarin wachsenden Rapunzeln zu zügeln.
Was genau ist eigentlich Rapunzel? Also, dass es sich hier um den Namen unseres genannten Hauptcharakters handelt, ist mir schon klar, aber…
Ich bin so verwirrt.
Bei Rapunzel handelt es sich entweder um Feldsalat oder um die Rapunzel-Glockenblumen, die früher ebenfalls als Salatpflanzen angebaut und in Essen verarbeitet wurden.
Ahhh, also ist Rapunzel stinknormaler Salat, ja?
Jaaa, so in etwa… Jedenfalls war der Mann jedoch nicht stark genug, sich seiner Frau zu widersetzen.
Das Motiv des schwachen Mannes, vor allem der Vaterfigur, findet sich übrigens häufig in Märchen. Das weibliche Geschlecht widersetzt sich wesentlich öfter und zeigt sich eher überlegen, als man zur Zeit der Fixierung des Märchens annehmen würde. Natürlich könnte man auch in Betracht ziehen, dass der Fall der bösen (Stief-)Mutter in Märchen dadurch noch mehr unterstrichen wird. So im Sinne von ‘ungehöriges Verhalten’ muss bestraft werden, aber vielleicht ist das auch zu weit hergeholt.
Du kannst deinen Streber-Modus wieder herunterfahren, Drys…
*hust*
Tz, ich teile einfach gern mein Wissen und bei dir passt ja noch einiges rein, Mavi. *zwinkert*
Hey ihr beiden! Darf ich jetzt wieder?
Als er den Salat für seine Frau zum wiederholten Male aus dem Garten einer Zauberin stehlen wollte, der von hohen Mauern umringt war, wurde er von dieser ertappt. Zur Strafe, sowie aus Angst vor ihrem Zauber und um der Bloßstellung als Dieb zu entgehen, musste er ihr sein Kind versprechen. Gleich nach der Geburt holte sie sich das Neugeborene und gab ihm den Namen Rapunzel - wer hätte das gedacht.
Ich fand ja schon immer, dass der Name ‘Rapunzel’ an sich voll schön klingt… Aber wenn man sich erstmal bewusst wird, dass es sich hierbei einfach indirekt um Gemüse handelt… Also Drystan wäre in meinen Augen definitiv irgendeine Lauchart und Dawson eine grüne Bohne!
Hat nichts mit Grünzeug zu tun, aber bei dir muss ich direkt an Wackelpudding denken. Der ist auch so zappelig und irgendwie nicht… ganz gesund.
Hey!
Oookay...? Ich mach dann mal weiter.
Als das Mädchen zwölf Jahre alt wurde, zu Beginn der Pubertät, sperrte die Zauberin es in einen abgelegenen Turm ohne Türen. Die einzige Möglichkeit, in ihn hineinzugelangen bestand darin, dass Rapunzel auf Zuruf ihr langes, goldenes Haar vom Turmfenster herunterlassen musste, sodass die Zauberin daran hinaufklettern und sie mit Nahrung versorgen konnte - das schreit doch nach mehr als nur einfache Magie!
Ganz schön hart, das arme Mädchen wächst in Isolation auf und lernt nur, was die Ziehmutter ihr zugesteht. Bei Rapunzels schnellem Haarwachstum scheint mir ebenso wieder Magie mit im Spiel zu sein. Normalerweise sind Haare nicht so robust, um als Seil zu dienen. Eigentlich müsste es doch dem Mädchen beim Gewicht einer Erwachsenen vom Kopf reißen, oder? Igitt!!!
Aber ich hab mal irgendwo gehört, dass man schon eine ansehnliche Menge an Gewicht mit einem bloßen Zopf ziehen kann!
Meine beste Freundin Eddy zum Beispiel-
Lass gut sein, Mavi.
Aber Eddy kann damit-
Wir kommen vom Thema ab!
Klappe ihr Zwei! Gerade jetzt wird es spannend!
Okaaaay...
Okaaaay...
Ein Königssohn, angezogen von Rapunzels schönem Gesang, belauschte sie, imitierte die Rufformel der Zauberin-
*trällert*
Rapunzel, Rapunzel, lass mir dein Haar herunter~
Danke Mavi…
Und zog sich schlussendlich zu dem schönen Mädchen hinauf und gewann dessen Liebe. Als Rapunzel sich daraufhin gegenüber der von ihr „Frau Gothel“ - was wohl soviel wie ‘Patin’ bedeutet - genannten Zauberin verplapperte, schnitt ihr die Hexe das Haar ab und verbannte sie in eine Einöde.
Was zur damaligen Zeit eine ziemliche Strafe war!
Frauen ließen ihr Haar im Allgemeinen wachsen. Dies war ein Schönheitsmerkmal und auch ein Zeichen für weibliche Reife. Frauen, die ihr Haar “verloren”, zeigten somit ihren sozialen Abstieg an. Den Turm kann man so auch symbolisch verstehen. Zuerst hat Rapunzel schönes langes Haar und lebt in luftigen Höhen, dann kommt der tiefe Fall.
Danach versteckte sich die Zauberin im Turm, wartete auf den Königssohn, ließ ihn an Rapunzels Zopf zu sich hinaufklettern und erschreckte und verhöhnte den Prinzen dermaßen, dass er in seiner Verzweiflung vom Turm sprang, sich in einem Dornengestrüpp beide Augen verletzte und schlussendlich erblindete.
Ouch… Das war bestimmt richtig schmerzhaft!
Ich wäre auch mal fast erblindet, als mir-
Maviii…
Meeeh.
Wehklagend irrte der Prinz nun durch die Welt, bis er durch Zufall zu Rapunzels Gefängnis gelangte und das Mädchen an seinem Gesang wiedererkannte. Als ihre Tränen seine Augen benetzten, wurde er von seiner Erblindung geheilt und führte seine zukünftige Frau glücklich heim in sein Königreich.
Tränen wird ohnehin eine magische Wirkung zugesprochen, die nicht nur in Muggelmärchen, sondern auch in unserer magischen Welt Verletzungen heilen. Denken wir nur einmal an Phönixtränen!
Aber sind die nicht irgendwie voll schwer zu beschaffen? Also wenn ich ein Phönix wäre, wäre ich zu glücklich, als irgendetwas zu beweinen. Ist doch bestimmt voll cool, so als brennender Vogel durch die Lüfte zu segeln! Also ich würde geradewegs zur Sonne fliegen, ohne jegliche Angst, mich verbrennen zu können!
Ein Phönix wird doch aus seiner Asche wiedergeboren, oder nicht? Wenn du in der Luft verbrennst, dann weht es deine ganzen Bestandteile weg!
Oh, wenn das so ist...
Ich glaube, dass ein Phönix da anders denkt. Für die wird das Brennen eine Erlösung sein, weil sie ja schon alt und schwach sind.
Ha! Und als alter, schwacher Phönix kann man natürlich nicht zur Sonne fliegen! Das wusste ich natürlich! Siehst du, Drys! Es ist doch möglich!
Was auch immer…
Diese Version des Märchens ist übrigens schon entschärft! Es gibt eine weitere, in der Rapunzel durch die Besuche des Prinzen sogar geschwängert wurde und nach ihrer Verbannung Zwillinge zur Welt bringt. Einen Babybauch konnte sie nicht mehr verstecken und so kamen die heimlichen Treffen mit dem Prinzen heraus. Eine Schwangerschaft von unverheirateten Frauen wurde zur damaligen Zeit überhaupt nicht von der Gesellschaft toleriert. In noch früheren Zeiten gingen betroffene Frauen deshalb zu einer kräuterkundigen, weisen Frau, um sich mit einer Abtreibung zu retten, wobei diese auch sehr gefährlich waren. So entstanden Mythen der Muggel von Hexen, die Kinder stehlen oder fressen würden. Eine furchtbare Zeit muss das gewesen sein, allein wenn man an die Hexenverfolgungen denkt.
Aber Sabberhexen-
Das ist wieder ein anderes Thema!
Der Vorhang fällt - ‘Tschüss Märchenwelt!’