Ein Soldat kehrt aus dem Krieg in die Heimat zurück. Auf der Landstraße trifft er auf eine hässliche, alte Hexe, die ihm verrät, wie er zu Geld kommen kann.
Das ist mal was anderes, ein Soldat, der auf eine Hexe trifft. Wobei die Hexe doch häufiger in Märchen auftaucht.
Stimmt. Mit einem Soldaten fällt mir so spontan kein weiteres Märchen ein. Um also nach dem Krieg nicht mittellos zu bleiben, muss er auf einen Baum gelangen und in einen ausgehöhlten Baumstamm klettern. Die Hexe verspricht, ihn am Seil, das er sich um den Körper binden soll, auf sein Zeichen wieder herauszuziehen.
Was soll ich sagen, das klingt schon so, als ob da gleich noch was passiert. Ich mein, wer bitte traut schon einer alten Hexe, die einem sagt, wie man an Geld kommt?
Öhm… das klingt sehr nach meiner Oma. Und das meine ich echt nicht negativ!*räuspert sich*
Sie bereitet den Soldaten darauf vor, was er zu sehen bekommen wird. In einer großen hell erleuchteten Halle soll er drei Türen vorfinden. Hinter der ersten verberge sich eine Kiste mit Kupfermünzen. Allerdings säße ein Hund darauf mit gruseligen Augen, die so groß wie Teetassen sind. Die Hexe will dem Soldaten ihre Schürze mitgeben, auf die er den Hund dann setzen kann, um an den Schatz zu gelangen.
Und da hätten wir wieder die magische Zahl 3! Das alles passt in einen Baumstamm? Muss wohl ein Ausdehnungszauber im Spiel sein.
Anders kann ich mir das auch nicht erklären. Und es geht noch weiter! Hinter der zweiten Tür würde er eine Truhe mit Silbermünzen entdecken, die von einem noch größeren Hund bewacht wird, mit Augen wie Mühlenräder. Wenn der Mann Gold haben möchte, solle er durch die dritte Tür gehen. Dort befände sich jedoch ein Hund, dessen Augen so groß wie Türme sind und die Hexe beschreibt ihn als bösartig. Auch diesen solle der Soldat einfach auf die Schürze setzen, um an das Gold heranzukommen. Als einzige Gegenleistung verlangt die Hexe vom Soldaten, dass er ihr ein Feuerzeug mitbringt, welches ihre Großmutter angeblich vergessen habe, als sie das letzte Mal dort war.
Das klingt so stark nach Magie und irgendwie erinnert mich das ein ganz kleines bisschen an Fluffy oder an die Tardis. Die ist ja auch von innen größer als von außen sichtbar ist.
Tar… was?
Tardis! Eine Raum-Zeit-Maschine aus Doctor Who.
Bei Merlin, lebt der Mann noch?
Das ist eine britische Science-Fiction-Fernsehserie der Muggel.
Sag das doch gleich! Das heißt wohl, Muggel können nicht wirklich durch die Zeit reisen. Schade, aber sie haben überhaupt faszinierende Apparaturen. Zurück zum Thema. Der Soldat stimmt zu und lässt sich im Baumstamm abseilen. Zuerst geht er durch die erste Tür, befolgt alles wie angeraten und füllt sich die Taschen voller Kupfermünzen. Als er durch die zweite Tür schreitet, den Hund auf die Schürze setzt und die Silbermünzen in der Truhe erblickt, wird er all seine Münzen los und stopft sich die Taschen mit Silber voll. Dieses Spiel wiederholt sich in der dritten Kammer. Er stellt sich vor, was er mit diesem Reichtum kaufen könnte: die ganze Stadt, süße Backwaren, alle Zinnsoldaten, Peitschen und Schaukelpferde in der ganzen Welt.
Das sind aber komische Wünsche. Also ich würde mir vermutlich einen Feuerblitz wünschen.
Das scheinen alles Dinge zu sein, die ein normal verdienender Bürger sich zur damaligen Zeit wohl nicht leisten konnte. Ich frage mich, weshalb er nicht gleich in die Kammer mit dem Gold gelaufen ist. Nun ja, alle Taschen, seinen Rucksack, die Mütze und die Stiefel füllt der Mann mit dem Gold, sodass er kaum laufen kann. Auf das Feuerzeug macht die Hexe ihn nochmal aufmerksam, ehe sie ihn heraufzieht.
Das Feuerzeug scheint der Hexe wirklich sehr wichtig zu sein. Ich bin gespannt, was sie damit will.
Sie verrät auch gar nicht, was sie mit dem Feuerzeug vorhat. Zuerst droht der Soldat ihr nur, doch dann schlägt er ihr tatsächlich den Kopf ab!
Etwas überreagiert, was?
Schon heftig, ja. Alles Gold packt er in die Hexenschürze und läuft weiter. Er kehrt in ein Wirtshaus ein und lässt es sich richtig gutgehen. Aus ihm wird auch optisch ein feiner Herr. Da erfährt er von einer schönen Prinzessin, die er gerne sehen möchte. Die Leute sagen ihm, dass sie in einem kupfernen Schloss lebt, das von vielen Mauern und Türmen umgeben ist und sie keine Besuche empfangen darf, aufgrund einer Prophezeiung.
Was das wohl sein wird? Eine Weissagung hat schon dafür gesorgt, dass Dornröschen eingesperrt wurde. Geholfen hat es trotzdem nichts. Wovor haben die so große Angst?
Die Prophezeiung besagt, dass die Königstochter an einen Soldaten verheiratet wird und der König will dies nicht zulassen.
Na, so ein Zufall.
*grinst breit*
Der Soldat hat weiterhin eine gute Zeit, schließt viele Freundschaften, schenkt jedoch auch Armen etwas von seinem Reichtum. Dieser ist allerdings bald aufgebraucht und der Mann muss wieder ein einfaches Leben führen. Da er nicht einmal eine Beleuchtung finanzieren kann, will er das Feuerzeug der Hexe als Lichtquelle nutzen.
Das erinnert mich gerade an einen Illuminator! Zumindest ist er großzügig und spendet etwas von seinem Geld.
Plötzlich erscheint der Hund aus der ersten Kammer und der Soldat schlussfolgert, dass der Hund aus der zweiten Kammer kommt, wenn er das Feuerzeug zwei Mal aktiviert, und der Hund aus der dritten Kammer, wenn er drei Mal das Stück verwendet. Er lässt sich vom ersten Hund neue Münzen bringen und kann wieder reich leben. Schließlich lässt er die Prinzessin ebenfalls von diesem Zauberhund holen. Sie schläft allerdings tief und fest. Nun kommt ein Satz in dem Märchen vor, der doch einiges zwischen den Zeilen aussagt: ‘Der Soldat konnte es durchaus nicht unterlassen, sie zu küssen, denn er war ganz und gar Soldat.’
Ähm...also ich weiß ja nicht… irgendwie ziemlich gerissen aber auch genauso dumm.
Und keinesfalls tugendhaft, sondern moralisch fragwürdig. Hierbei geht es wohl kaum um den erlösenden Kuss der wahren Liebe oder dergleichen. Der Hund bringt das Mädchen wieder zurück, doch sie glaubt das Erlebte sei ein Traum gewesen und erzählt dies am Morgen ihren Eltern. Daraufhin stellt die Königin eine Hofdame zu ihr ans Bett, die beobachten soll, was in der Nacht geschieht. Wieder hat der Soldat Sehnsucht nach der Königstochter und lässt sie vom Hund holen. Die Hofdame verfolgt ihn und kennzeichnet die Tür des Soldaten mit einem weißen Kreidekreuz.
Die muss aber ganz schön flott gerannt sein, immerhin ist das ein Hund. Ob die eine Art Siebenmeilenstiefel trug?
Wir werden das leider nicht erfahren. Der Hund bemerkt die Kennzeichnung, als er das Mädchen wieder zurückbringt und schreibt auf alle Türen der Stadt ein Kreuz, sodass niemand das richtige Haus am nächsten Morgen finden kann.
Der Hund kann schreiben?
*blinzelt leicht verstört*
Wäre es nicht leichter gewesen, das eine Kreuz einfach zu entfernen?
*lacht*
Das habe ich mir auch gedacht. Die Hunde kommen schon etwas teuflisch rüber, meinst du nicht? Und Teufeln wird doch nachgesagt, dass sie gerne spielen und Tricks anwenden. Nun kommt noch ein Satz, der Beachtung finden sollte: ‘Aber die Königin war eine äußerst kluge Frau, die mehr konnte, als in einer Kutsche fahren.’
Damit hebt sie sich von einigen Frauen im Märchen ab. Auch bei der Prinzessin auf der Erbse ist die Königin sehr clever.
Erinnerst du dich an das Märchen von Goldbaum und Silberbaum? Da gab es doch auch eine kluge Königin, die sogar ein Schiff lenken konnte. Die Hoheit in diesem Märchen näht einen Beutel und füllt ihn mit Buchweizengrütze. Zudem schneidet sie ein Loch hinein und bindet ihn der Tochter auf den Rücken. Die Spur wird vom Hund diesmal nicht bemerkt, der Soldat wird ergriffen und landet im Gefängnis. Am nächsten Tag soll er gehängt werden und sein Feuerzeug befindet sich noch im Gasthof. Er lockt einen Schuhmacherjungen mit vier Schilling, damit dieser ihm schnell diesen magischen Gegenstand holt - und es gelingt. Als er auf dem Galgen steht, darf der Verurteilte noch einen unschuldigen Wunsch äußern. Er wünscht sich eine Pfeife rauchen zu dürfen und kann so das Feuerzeug in Gebrauch nehmen, um gleich alle drei Hunde herbeizurufen. Sie werfen den Richter und seinen ganzen Rat in die Luft, sodass sie umkommen, sobald sie auf dem Boden aufschlagen.
Dieser Mann ist echt brutal und echt gerissen!
Als nächstes werden auf die gleiche Weise der König und die Königin umgebracht. Nun schwingt sich der Soldat auf den Thron. Die Prinzessin verlässt das Schloss, in dem sie zuvor isoliert war, und wird seine Königin. Das gefällt ihr gut. Angeblich.
Na immerhin. Aber krass, dass der Tod der Eltern sie so kalt gelassen hat.
Da haben sich die beiden wohl verdient. Das Märchen endet mit den Worten:
‘Die Hochzeit währte acht Tage lang, und die Hunde saßen mit bei Tische und machten große Augen.’
Die Hunde hatten ja tatsächlich große Augen. Da hat Andersen noch ein Wortspiel eingebracht. Die Zahl Acht steht doch symbolisch für Unendlichkeit, oder?
Genau. Ist vielleicht eine andere Form, um zu sagen: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
*zwinkert*
Der Vorhang fällt - ‘Tschüss Märchenwelt!’