Seit zehn Jahren war Clayton Fraser nun Lehrer. Und er liebte seinen Job – er liebte, dass er den Kindern nicht nur Stoff vermitteln durfte, sondern ihnen mehr beibringen konnte. Ein bisschen was vom Umgang miteinander, ein bisschen was vom Leben. Vielleicht – das hoffte er – war er für den einen oder anderen sogar ein Vorbild.
Von vielen seiner Kollegen wurde er belächelt für seinen Enthusiasmus. Gestern beim Kaffee hatte Genevieve ihn gefragt, warum er sich freiwillig für so eine furchtbare Aufgabe wie den Schulsprecher-Aushang gemeldet hatte. Aber es bereitete ihm einfach Freude. Das Schulsprecheramt war zum einen eine große Ehre, zum anderen aber auch eine wunderbare Möglichkeit selbst etwas in die Hand zu nehmen und zu verändern, selbst zum Vorbild zu werden und anderen etwas beizubringen.
Und wenn er sich den alten Aushang ansah, den sein ehemaliger Kollege – nun im Ruhestand – bisher verwendet hatte, dann war ein Update dringend nötig. „Bewerben Sie sich als Schulsprecher*in! Dieses prestigeträchtige Amt ist eine Auszeichnung für die engagiertesten Mitschüler*innen unter Ihnen.“ Da konnte man sich ja sicher sein, jemanden zu erwischen, der sich für etwas besseres hielt und sich mit dem Titel schmücken wollte. Dabei suchte er jemanden, dem die Schule und vor allem seine Mitschüler am Herzen lagen. Der etwas verändern wollte und für die Schülerschaft einstand. Jetzt musste er das nur noch auf Pergament bringen.
„Alle Jahre wieder… suchen wir eine*n Schulsprecher*in!“ änderte er den Titel. Vielleicht rollten die Schüler*innen mit den Augen bei seinen schlechten Wortspielen und Witzen, doch das hinderte ihn nicht daran, sie einzubauen.
„Ein*e Schulsprecher*in trägt Verantwortung, kann aber auch einiges in Bewegung bringen.“ Er wollte nicht davon sprechen, welche Last oder auch welch große Ehre der Titel mit sich brachte, sondern mehr darauf eingehen, was man erreichen konnte. „Zur Ausführung des Amtes gehören folgende Aufgaben“. Das war ja furchtbar! Bei der nachfolgenden Liste hätte auch Clayton keine Lust, sich zu bewerben. Da musste frischer Wind und ein paar Veränderungen rein!
Es gibt Dinge, die du seit Jahren ändern würdest, wenn du die Möglichkeit hättest?
Du kannst mit Lehrern diskutieren, ohne nach zwei Minuten Nachsitzen zu bekommen?
Deine Mitschüler rennen nicht sofort schreiend weg oder machen einen großen Bogen, wenn sie dich sehen?
Wundervoll! Dann bist du als Schulsprecher*in vielleicht geeigneter, als du denkst!
Man hatte ihm die Aufgabe überlassen, also würde er den Aushang nach seinem Geschmack gestalten, auch wenn sich ein paar besondere Kollegen sicher wieder beschweren würden. Er wollte
jemanden, der vermitteln konnte, der tatsächlich die Bedürfnisse der Schüler schätzte und auch anbrachte. Einigen Lehrern ging es sowieso viel zu gut. Es brauchte
jemanden, der ein Vorbild war, nicht unbedingt wegen Fleiß und Ordnung, sondern
im Umgang mit anderen. Und trotzdem war
ein gewisses Maß an Struktur und Organisation gefragt. Ein paar
natürliche Führungsqualitäten. Doch das wichtigste war,
dass andere ihm*ihr Vertrauen entgegenbrachten, sich mit Problemen an ihre*n Schulsprecher*in wenden würden.
Der Job barg eine
große Verantwortung. Doch er barg auch die
Möglichkeit, die Schule ein wenig mehr im Sinne der Schüler zu gestalten und wirklich etwas zu bewirken.
Genevieve schüttelte mit einem leichten Grinsen den Kopf, als sie den Aushang sah. Also war er perfekt und Clayton musste ihn nur noch ans Schwarze Brett hängen.